Mein Name ist Juliane. Ich bin ein ziemlich typisches „Snowflake“ 90er Mädchen.
Geboren in Chemnitz, mit 5 mit meiner Mama ins Vogtland gezogen und von ihr und ihrem langjährigen Freund großgezogen worden.
Rebellisch war ich immer.
Schon in der Grundschule schlichtete ich lieber Prügeleien der Jungs als mich mit Mädchenkram auseinanderzusetzen (Diddl-Blätter sammeln ausgenommen). Doch mein Bild nach außen war gewahrt. Ich sollte auf ein besonderes Gymnasium in der Nähe von Zwickau gehen. Ich legte also mit 11 meine erste Prüfung ab – die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium. Bestanden. Natürlich. Das Erste Jahr an der neuen Schule lief super. Ich hatte viele Freunde gefunden und das Mädchen mit dem ich jeden Tag zur Schule gefahren wurde, sollte später meine beste Freundin werden.
Danach ging es steil bergab.
Als 14-jährige saß ich mit meinen Punker-Freunden am Rand des eines Supermarktparkplatzes. Meinem Stiefvater passte das gar nicht, weil es dem gesellschaftlichen Bild seiner Familie und damit seiner Firma schadete. Interessierte mich wenig. Der, der alt genug war, ging rein und holte den Vodka-Blutorange für alle. Noch 1-2 Mixery, Feiglinge und Jägermeister. Damals empfand ich das als OK und völlig Normal. Meinem Sohn würde ich heute was erzählen, wenn er das machen würde. Vermutlich, dass er nicht so einen Mist trinken, sondern sich lieber ein Bier mit Stern gönnen soll.
Mit 16 machte ich ein Auslandsjahr in Russland. Es war ein tolles Jahr. Ich habe viel gelernt, viele nette Leute fanden den Weg in meinen Lebenslauf. Wir sind viel gereist – Moskau, Tver, St. Petersburg und noch ein paar andere kleine Städte. Auch die Russische (Trink-)Kultur ist nicht an mir vorbei gezogen, aber Abstürze hatte ich keine. Alles voll im Griff. Das Ende der Reise war Lebensverändernd. Doch das leider nicht im positiven Sinne. Die Beziehung zu einer ganz besonderen Frau, die mich auch heute noch durchs Leben begleitet, hat ebenfalls während der letzten 6 Monate dort begonnen. Das erleichterte die mich zerfressenden Probleme zu verdrängen.
Mit 18 bin ich zu Hause ausgezogen in die nächst größere Stadt, wo ich auch meine Fachhochschulreife Gestaltung ablegte. Ich hatte meinen 2. festen Freund (wenn man die aus der Grundschule mal weglässt…), doch auch der sollte scheinbar nicht der „Für immer und ewig“-Mann in meinem Leben sein. Auch der dritte im ersten Moment nicht. Und doch blieben wir über Jahre in sporadischem Kontakt. Und er blieb hartnäckig. Zum Glück. ♡
Nach dem FachAbi Abschluss bin ich zu meiner neuen Liebe nach Leipzig gezogen. Er brachte mich einen weiteren Schritt in Richtung des Wahnsinns, der nun in mir lebt. Über die Definition von Narzissmus hätte man auch seinen Namen schreiben können. Heute weiß ich, dass ich nach dieser Beziehung einen Psychologen gebraucht hätte. Doch es war nicht alles schlecht.
In Leipzig habe ich meine Ausbildung zur Bekleidungstechnischen Assistentin gemacht. Einen Job damit zu finden ist nicht unbedingt einfach, aber ich habe die besten Freundinnen kennengelernt, die man sich wünschen kann. Wir hatten schwierige Zeiten. Wir konnten uns zeitweise nicht ausstehen. Im Nachhinein weiß keine von uns mehr warum. Wir wissen nur, dass ich dumm war. Diese Erkenntnis brachte uns zum Lachen und fortwährenden Kontakt.
Ich habe einen wundervollen Sohn, zähle trotz wundervollem Partner als „alleinerziehend“, da der Kindsvater nicht mehr auf dieser Welt sein wollte. Er hat vermutlich viele Fehler in seinem Leben gemacht. Wie wir alle. Aber diesen einen hat er sich nicht verzeihen können. Und dieser eine hat mir den Rest gegeben.
Seitdem kämpfe ich mich von Woche zu Woche. Habe meinen Seelenverwandten wieder an meiner Seite.
Ich habe am 1.9.21 eine Ausbildung zur Ergotherapeutin begonnen und wohne in der Nähe von Zwickau. Nach vielen Gesprächen bekam ich die Diagnose ADHS; zunächst ohne Medikamente. Im Dezember 2021 hat mich dann Covid erwischt. Seit Anfang 2022 hab ich auch noch Post Covid an der Backe, wodurch ich mich gemeinsam mit meiner Psychiaterin dazu entschied, mein ADHS mit Medikinet zu unterstützen.
Das zweite Praktikum habe ich nun geschafft. Meine Symptome werden nicht besser. Aber ich mache weiter.
Mal sehen, was das Universum für mich bereithält. Ich werde lernen besser zuzuhören.
Kommt ihr mit?
