Gedanken von vor einem Jahr

8. März 2020

Ich möchte eigentlich den ganzen Tag immer wieder mich einfach hinsetzen und meine Gedanken aufschreiben. Meine Gefühle beschreiben. Wie ich mich verändere und wie ich es selbst wahrnehme. Wie ich bin, wie ich sein will und was ich denke, wie ich war. Wie Kaiyo ist, was ich denke, was meine Depressionen in ihm auslösen. Aber jetzt wo ich Zeit habe, mich an meinen Laptop zu setzen und zu schreiben ist mein Kopf leer. Immer noch laut, aber leer.

Ich nehme jetzt seit 11 Tagen Antidepressiva (fortlaufend mit AD abgekürzt) und habe das Gefühl mich zu verlieren. Im selben Atemzug überlege ich, ob ich jemals ich war. Wie viel von mir wirklich ehrlich zu mir selbst war. Und, wie war ich eigentlich, bevor sich alles geändert hat. Wann hat es begonnen? Ist es überhaupt realistisch, sich selbst mit einem früheren Ich zu vergleichen? Kann man man selbst bleiben? Schließlich entwickelt man sich jeden Tag, jede Stunde. Ich bin heute eine ganz andere als gestern. Persönlichkeitsfragebögen würde ich vermutlich jeden Tag ein wenig anders beantworten, sofern ich die Antworten des Vortags vergessen habe. Was ziemlich wahrscheinlich ist, da ich sehr viel vergesse.

„Ja, alles vergessen gehört dazu. Kannst ruhig alles aufschreiben, woran du dich irgendwann mal erinnern willst“, schrieb er. „Mit Depressionen ist es ja kein richtiges Leben mehr und man kann ja nicht einfach die Zeit zurück drehen, weil da ja der Punkt war, von dem aus man in die Situation kam. Was am Ende rauskommt ist ungewiss und da kann auch einiges anders und manches vergessen sein.“ Viele Fragen drehen sich in meinem Kopf. Viele wiederholen sich. Ich bin also sozusagen im Prozess eines Resets. Vermutlich sollte ich das so gut es geht nutzen. Das beste draus machen. Aber meine Ängste sind groß. Menschen zu verlieren, mich nicht zu finden.

 Diese Ängste spiegeln sich auch in meinen immer wieder kehrenden Albträumen wieder. Die Träume ändern sich, die Gefühle darin sind immer sehr ähnlich. Enttäuschung, Wut, Verletzt sein. Ich werde ignoriert, missverstanden, gar nicht verstanden, hintergangen, verletzt und betrogen.  Die Träume sind so realistisch, dass ich teilweise Stunden oder Tage noch sehr sauer auf die im Traum vorgekommene Person bin. Ich habe nach einem solchen Traum 8h nicht mit meinem Freund geschrieben, weil ich ultra pissed war. Obwohl ich wusste, dass es ein Traum war. Das entstandene Gefühl hatte sich festgefressen. Erst als ich den Traum endlich vergessen hatte, löste sich auch das Gefühl auf. In solchen Momenten bin ich sehr dankbar, dass ich vergesse. Solche Träume habe ich schon lange, auch unabhängig von AD.  Wann es angefangen hat, wodurch es ausgelöst wurde und wie ich es los werde, weiß ich nicht. Ich will nicht schlecht von meinem Freund träumen. Ich will schönes träumen. Aber wer will das nicht.

Es gab Phasen in meinem Leben, da habe ich mich in den Schlaf geflüchtet, in meine Träume. Da war alles toll. Kurz darau kam „Inception“ in die Kinos und hat mich vor eine Unmöglichkeit gestellt. Ich wurde noch oft mit solchen Unmöglichkeiten konfrontiert, aber das war eine der ersten. Aktuell fliehe ich eher vor dem Schlaf, schlafe absichtlich unbequem, um nicht zu träumen. Schlafe immer unterschiedlich lang um nicht zu träumen. Schlafe kürzer, als ich es brauche, um nicht zu träumen. Ich habe nicht direkt Angst, aber viel zu großen Respekt, was diese Träume in mir auslösen.

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